Segeln eine der schönsten und vielfältigsten Beschäftigungen unserer Zeit. Viele sind davon begeistert. Einige wenige leben ganz oder teilweise auf einem Boot. Vielleicht ist es die Herausforderung und die Weite des Meeres, die diese Menschen besonders macht. Zufallsbegegnungen mit Seglern sind häufig freundschaftlich, innig und offen, wie sie sich bei anderen Gelegenheiten nur selten ergeben. Ein Beispiel sind Wilma und Walter. Wir haben sie mit ihrem Hund Jimmy im Hafen von Dunkerque getroffen. Die beiden sind so unglaublich nett und herzlich, dass ich Sie nach Ihrem Abenteuer und Ihren Ratschlägen für all diejenigen, die ebenfalls einen Weg für eine Segelzeit befragen musste.

Wilma & Walter
Katamaran "Duo"
Eigenbau. Länge: 13,60 Meter; Breite 7,86 Meter; Tiefgang: 0,9 Meter; Segelfläche 98 Quadratmeter.
Aktueller Liegeplatz: Dunkquerque
Internetseite: www.cat-duo.de
I. Wer sind Wilma und Walter?
Ralf: Hallo Wilma und Walter! Vielen Dank, dass Ihr Sandra und mich hier auf Euren Katamaran “Duo” zum Kaffee eingeladen habt, und uns davon erzählen wollt, wie Ihr dazu gekommen seid, Euer gewohntes Leben umzukempeln und mit diesem Katamaran auf Reise zu gehen. Aber stellt Euch doch erst einmal vor.
Wilma: Wir kennen uns seit 30 Jahren. Walter war früher einmal Seemann bei der Handelsmarine. Später hat er im Außendienst gearbeitet. Ich bin Industriekauffrau und habe in Norderstedt gearbeitet. Wir hatten damals ein Badeboot. Mit Segeln hatten wir beide noch nichts am Hut. Im August 1995 haben wir geheiratet. Wir kauften uns dann ein Motorboot. Leider ging das Getriebe kaputt. Da war ich es, die sagte: “Jetzt kaufen wir uns ein Segelboot”. Walter von dieser Idee zunächst nicht begeistert. [Wilma lächelt.]
Walter: Ich habe dann ein Segelboot gesucht. Eher durch Zufall bin ich bei einer Fahrt nach Berlin auf ein Segelboot aus Teak gestoßen, die “Shogun”. Sie war 10 Meter lang, drei Meter breit und wie für uns geschaffen. Ein wunderbares Boot für uns, auf dem wir im Urlaub tolle Törns unternommen haben und. So sind wir zum Segeln gekommen haben unsere Begeisterung für das Reisen auf dem Segelboot entdeckt.
II. Eure Leidenschaft
Ralf: So fing also alles alles an. Mit einer Idee von Wilma, die anstatt zu motoren ein Segelboot ausprobieren wollte. Diese Idee habt ihr dann gleich mit einem 10-Meter Boot umgesetzt. Und wie ging es dann weiter?
Walter: Wir sind mit der Shogun dann in der Ostsee gesegelt. Auch bei schwerem Wetter. Und hatten viel Freude am Reisen und die Welt entdecken mit diesem Segelboot. So um das Jahr 2000 haben wir dann beschlossen, unser Leben zu verändern und auf einem Boot zu leben.
Sandra: Hut ab, das ist ein großes Vorhaben. Ihr sagt das so mit einem Satz, als ob man das einfach so entscheiden könnte.
Wilma: Es war keine Kleinigkeit. Wir waren bereit für ein vollständig anderes Leben, als wir es bisher geführt haben und mit einem Segelboot auf große Reise gehen.
III. Die Realisierung
Ralf: Die Schwierigkeit, diesen Traum umzusetzen, ist fast immer die Finanzierung. Und zwar einerseits die Finanzierung Eures Lebensunterhalts. Ihr wart zu diesem Zeitpunkt ja noch lange nicht in Rente, oder? Zum anderen braucht man ein geeignetes Boot…
Wilma: Das stimmt. Ich war damals 51 und Walter war 55 Jahre alt. Wir bekamen noch lange keine Rente. Wir konnten unseren Plan nicht von heute auf morgen umsetzen. Aber wir hatten beiden einen Beruf, der uns Möglichkeiten gab. Walter war zu diesem Zeitpunkt im Außendienst tätig und flexibel bei der Gestaltung seiner Arbeitszeiten. Und ich verdiente ja auch.
Walter: Ein bisschen Freiheit hatten wir damit schon, mit der wir zu unserem Boot kommen konnten. Ich habe die Pläne und einen Bausatz vorgeformter Platten für diesen Katamaran von einem Tüftler am Chiemsee kaufen können. Es fehlte nur noch eine Halle, in der ich den Katamaran zusammenbauen konnte. In Emden wurde ich nach langer Suche schließlich fündig. Der Hallenvermieter war wortkarg, aber sehr nett. Er hat mir mit vielen Tipps geholfen. Wir sind Freunde geworden.
Wilma: Nach 3 Jahren Fleiß an jedem freien Tag hatte Walter den Katamaran zusammengebaut. Am 26.06.2005 haben wir die “Duo” getauft. Es war ein schönes Fest. Der Innenausbau war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertig. Aber wir konnten mit ihr segeln und so haben wir sie ins Wasser gelassen.
Walter: Wir hatten dann einen Liegeplatz in Kiel und haben die Duo in unserer Freizeit zwei Jahre lang erprobt. Und was soll ich sagen: Der Katamaran hat alle Erwartungen übertroffen. Er hat hervorragende Segeleingeschaften, ist relativ leicht und schnell. Wir hatten nur ein Ruderproblem. Das haben wir nachgebessert.
IV. Das Abenteuer
Sandra: Das hört sich nach einer glücklichen Geschichte an, die Ihr Euch sehr beharrlich erarbeitet habt. Vom Entschluss, auf einem Boot zu leben im Jahr 2000 sind bis zu diesem Zeitpunkt Eurer Erzählung 7 Jahre vergangen. Aber Ihr habt es geschafft! Ihr hattet diesen wunderbare großen Katamaran, auf dem man komfortabel leben und zweifellos auf große Reise gehen kann.
Wilma: Bis es soweit war, dauerte es sogar noch ein bisschen länger. 2010 war es aber soweit. Wir haben beide unsere Jobs gekündigt und unsere Wohnung aufgelöst. Alles ging auf den Sperrmüll. Im April 2010 sind wir auf die Duo gezogen. Im Juli ist es losgegangen.
Walter: Wir sind dann in die Nordsee gesegelt. Wir hatten es nicht eilig und haben langsam gemacht. Es gab kein festes Ziel, das wir schnell erreichen mussen. In Borkum haben wir eine Tonne gerammt. Das ließ sich reparieren. Bei Den Helder sind wir in sehr unhandliches Wetter geraten.
Wilma: So spannend und so schön unser Vorhaben war, wir hatten kein großes Glück. Ich habe mir den Knöchel geborchen. Walter hatte einen zweiten Herzinfarkt. In Zeeland hatten wir später zu allem Überfluss eine Havarie. Im Hafen ist uns ein anders Boot reingefahren.
Walter: Das wurde repariert. Aber es stimmt. Mit jedem Jahr wird man älter und die Gesunheit nicht unbedingt besser. 2016 kamen wir schließlich hier nach Dunkerque in Frankreich. Mein Herz ist nicht mehr das Stärkste. Wir sind nun also seit 5 Jahren hier und wissen unverändert das Leben auf unserem Katamaran zu schätzen. Weite Strecken werden wir nicht zurücklegen. Zu groß ist das Risiko, dass ich einen weiteren Herzinfarkt erleide und auf See damit nicht nur mich, sondern auch Wilma in Lebensgefahr bringe.
V. Fazit
Sandra: Das hattet Ihr Euch bestimmt nicht so vorgestellt, als Ihr 2010 aufgebrochen seid. Das Glück eines Abenteuers bemisst sich jedoch nicht in der Anzahl der Seemeilen, die man zurücklegt. Seid Ihr über den Verlauf der Dinge enttäuscht?
Wilma: Nein, wir sind nicht enttäsucht. Wir haben alles richtig gemacht. Es war die Gesundheit, die uns schließlich einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.
Walter: Ich glaube nicht, dass man so ohne weiteres zu einem beliebigen Zeitpunkt im Leben beschließen kann, “jetzt fahren wir 3 Jahre um die Welt und dann kehrst Du in ein normales Leben zurück”. Das funktioniert nicht. Wenn Du auf ein Segelboot ziehst und auf ihm dauerhaft lebst, bekommst Du andere Umdrehungen. Du bekommst ein anders Verhältnis zur Natur, zur Ruhe. Du bekommst einen anderen Lebenssinn und kehrst der Hektik und dem Wettbewerb des Lebens in unseren Städten den Rücken. Dort ist alles nur noch am Rennen! Wer keinen Dauerlauf im Job macht, ist draußen. Das Leben auf einem Segelboot hat eine andere Philosophie. Du denkst über Dein Leben nach und bist in einem anderen Einklang mit Dir und Deiner Umwelt. Das haben wir die letzten 10 Jahre auf unserer Duo erlebt und so leben wir noch.
Ralf: Es gibt so erstaunlich viele Menschen, die davon träumen, auf einem Segelboot in Freiheit und ohne großen Fußabdruck zu leben und die Welt zu bereisen. Ich denke, dass immer mehr Menschen diesen Traum umsetzen, mit unterschiedlichstem Budget. Die meisten schrecken schlussendlich aber wieder zurück. Es braucht einen festen Willen. Wer nicht bereits finanziell unabhänig ist, und das sind nur sehr, sehr wenige Menschen, braucht Zeit und Beharrlichkeit, um diesen Traum zu umzusetzen. Auch wenn nur wenige ein eigenes Boot selbst bauen könnten, wie Ihr es mit allen Vorbereitungen, der Suche nach Plänen und schließlich einer Halle insgesamt mindestens 5 Jahre lang getan habt! Vor dieser Leistung habe ich großen Respekt. Es gibt glücklicherweise auch andere Wege, um zu einem Boot zu kommen, wie z.B. die jahrelange Suche nach einem Gebrauchtboot, das die individuellen Möglichkeiten der finanziellen Machbarkeit und der handwerklichen Fertigkeiten erfüllt. Was ist Euer Fazit? Was ratet Ihr Menschen, die denselben Traum hegen und mit einem Segelboot auf Reisen gehen wollen?
Walter: Aus unserer Erfahrung resultiert ein naheligender, aber sehr wichtiger Rat: Macht es so früh wie möglich! Nicht erst mit 65. Je später Du auf ein Boot ziehst, desto unbeweglicher wirst Du. Sei so mutig es geht, um lebe Dein Abenteuer solange noch Zeit ist.
Zweitens: Es macht sich in unserer Gesellschaft eine Vollkaskomentalität breit. Das hat nichts mit alter Seemannschaft zu tun. Die elektronischen Seekarten beispielsweise haben einen wahren Boom des Fahrtensegelns erst ermöglicht. Ich kritisere das nicht. Nur haben alle die Annehmlichkeiten heutiger hightech-Yachten nichts mit dem Abenteuer Segeln zu tun. Die Mentalität derjenigen, die die Bequemlichkeit eines Großstadtwohnzimmers in ein Segelboot implementieren, steht im Widerpsruch zu dem, worum es beim Segeln geht: Um Einfachheit, um die Beherrschung Deines Bootes und des Segelns mit seinen elementaren und unzerstörbaren Grundlagen. Es geht um den verantwortungsvollen Umgang mit den Elementen, mit Natur, Wind und Wetter.
Drittens: Wenn Du aufs Boot ziehst und mit dem Gedanken spielt, mit Gästen Deine Bordkasse aufzubessern, verlasse Dich nicht auf die Zusagen all Deiner Freunde, die Du erhalten hast, bevor es losging. Wenn Du dann irgendwann unterwegs bist, wird niemand kommen. Deine Bekannten haben dann doch keine Zeit, oder die Anreise ist zu aufwändig, oder was anderes kommt dazwischen. Suche nach einem anderen Weg, um Dein – nicht sehr teures, mit Verschleiß und Reparaturen aber auch nicht kostenfreies – Leben an Bord zu finanzieren.
Sandra: Wir danken Euch beiden für dieses wunderbare Gespräch!