Da wir zur Zeit – Mitte Januar und Corona-Lockdown – (leider) keine Segelzeit haben, mögen meine Beiträge hier für den einen oder anderen Leser etwas weit hergeholt sein. In diesem Beitrag geht es um einen innovativen Vorschlag für eine neue Steuer. Steuern sind eo ipso unattraktiv. Vor allem für Menschen, die nach Freiheit streben. Und trotzdem: Kaum ein anderes Ideal, als das des Fahrtensegeln, verinnerlicht die Idee der Nachhaltigkeit mehr. Die Sehnsucht, ohne Verbrauch und ökologischem Fußabdruck auf einem beherrschbaren Segelboot unabhängig unterwegs zu sein, kann den Blick von der allseits vorzufindenden Wegwerfkultur nicht verschließen.
Nun also: CO2-abhängige Steuer für PKWs haben wir bereits. Was ist also die Idee? Ganz einfach. Es gibt Produkte, die halten ziemlich lange. Andere sind demgegenüber überraschend und unnötig schnell verschlissen. Das betrifft viele Bereiche: Manche Möbel verschleißen ruckzuck, andere halten ewig. Genauso Schuhe, Kleidung oder Haushaltselektronik. Eine Waschmaschine von Miele hält angeblich über 30 Jahre, manch andere hingegen nur 15 oder weniger. Die meisten Handys sind Wegwerfartikel mit einer kalkulierten Lebensdauer von max 3 Jahren. Die beiden Initiativen Fairphone und Shiftphone stellen modular aufgebaute Handys her, bei denen viele Bauteile austauschbar und mit dem technischen Fortschritt upgradefähig sind. Ganz wesentlicher Faktor für die Langlebigkeit von Produkten ist, in wie weit man sie reparieren kann und Ersatzteile erhältlich sind.
Steuern sollen und dürfen politsch gewollte Ziele begünstigen, man nennt das “Lenkungssteuter”. Wenn langlebige Produkte im Interesse der Verbraucher und der Nachhaltigkeit politisch gewünscht ist, darf das gefördert werden. Die spannende Frage ist, wie das praktisch umgesetzt werden könnte. Wie wäre es mit folgender Idee: Jeder Hersteller oder Importeur von Produkten muss auf einer Internetplattform des Zolls oder der Finanzbehörden eingeben, welches Produkt er herstellt oder importiert und für wie lange er die durchschnittliche Lebensdauer beim Kunden erachtet. Dies könnte zwei Folgen haben: Erstens richtet sich danach die “Hersteller-Garantie”, die er für das Produkt gewähren muss. Da er eine durchschnittliche Lebensdauer eingegeben hat, muss diese natürlich kürzer sein, z.B. 2 statt der von ihm angegebenen 3 Jahre. Zweitens könnte die Plattform den Median aus der Lebensdauer aller gleichen Produkte ermitteln, die auf unserer staatlichen Online-Plattform registriert wurden. Wird eine gegenüber diesem Median kürzere durchschnittliche Lebensdauer vom Hersteller eingegeben, wird eine Nachhaltigkeitssteuer pro Produkt fällig, die sich am zeitlichen Abstand der Lebensdauer vom Median orientiert. Z.B. 50% kürzere Lebendauer könnte zu einer steuerlichen Belastung von 10% des Verkaufspreises führen und eine um 25% kürzere Lebensdauer zu einer steuerlichten Belastung von 5%. Verbrauchsartikel bleiben natürlich außen vor.
Jetzt fragt sich natürlich, wie die Eingaben der Herstellerer und Importerue ohne gigantischen Verwaltungsaufwand überwacht werden soll. Auch hierfür habe ich eine Antwort: Auf jedem Produkt muss ein kleiner, haltbarer QR-Code aufgebracht sein. Alle Käufer können mit dem QR-Code zwei Dinge tun: Sie können schon beim Kauf blitzschnell herausfinden, wie die vom Hersteller angegebene durchschnittliche Lebensdauer im Verhältnis zum aktuellen Median aller registrierten Produkte stetht. Und zweitens sind sie aufgerufen, den Zeitpunkt der Entsorgung des Produktes mit einem QR-Scan zu melden, wenn es zu dieser kommt. Sinnvollerweise werden die QR-Codes einer jeden Produktserie fortlaufend nummeriert sein müssen, um Mißbräuche zu vermeiden. So könnte vermieden werden, dass ein Konkurrent seinem Mitbewerber Schaden zufügt, indem er ein einziges Produkt 100fach mit einem zu frühen Entsorgungsdatum meldet. Klar ist auch, dass sich nicht alle Kunden die Mühe machen werden, jede Produktentsorgung mit dem QR-Code zu melden. Erstens wird es aber für eine zutreffende Haltbarkeitserfassung genügen, wenn ein Bruchteil der Produktentsorgungen von den Kunden ordnungsgemäß gemeldet werden. Und zweitens wird sich dieses Prozedere durch entsprechende Verständlichmachung üben lassen, wie es z.B. für eine halbwegs befriedigende Mülltrennung auch erforderlich war.
Stellt sich dann auf diesem Wege Jahre später heraus, dass die von einem Hersteller angegebene durchschnittliche Produktlebensdauer zu kurz angegeben worden war, muss die zu Unrecht gesparte Steuer natürlich nachentrichtet werden. Zusätzlich zum Theater mit den Kunden, die sich möglicherweise bereits mit dem ihnen zustehenden Garantieanspruch beim Hersteller oder Importeur gemeldet haben.
Ihr haltet all dies für ein absolutes Monstrum an Verwaltungsaufwand und Bürokratie? Science-Fiktion? Nun ja, wenn man die Bewältigung anderer staatlichen IT-Projekte betrachtet, außerdem europäischen Kontext hinzuzieht, den es zu berücksichtigen gilt, ist klar, dass diese Vision einen langen Weg bis zur Umsetzung zu gehen hätte. Aber einmal abgesehen davon. Wenn die initiale Umsetzung nicht das Problem wäre, wäre es dann eine gute Idee?