Es gibt unsagbar tolle Segelyachten. Ein Beispiel unter vielen ist die weit über 60 Millionen Euro teure Hetairos. Wer sie sich anschauen will, kann sich z.B. unter https://www.balticyachts.fi/yachts/hetairos von ihrer traumhaften Schönheit überzeugen. Da wir momentan keine Segelabenteuer unmittelbar erleben, bediene ich mein Thema “Segeln – Freiheit – Gerechtigkeit” in recht allgemeiner Weise. Die Hetairos gibt dabei vielerlei Anlass zur Diskussion.
Erstens: Die Hetairos ist eine Segelyacht der Superlative. Sie ist ca. 67 Meter lang, 10,54 Meter breit und neben Eleganz und luxiorösen Komfort vor allem auf Geschwindigkeit getrimmt. Anders als etwa die IMOCA-Rennmaschinen, mit denen z.B. die Vendée Globe gesegelt wird und ohne Klo oder anderem normalen Innenausbau den Segelern extreme Härte abverlangen, ist die Hetairos eine schwimmende Villa mit Sofas im Salon und Großküche. Trotzdem wird man mit ihr vermtulich 24-Stundenetmale von bis zu 500 Seemeilen erreichen können. 20 Knoten Fahrt sind für sie kein Kunststück. Neben ihrer Größe (55 Meter Wasserlinie, 1700 Quadatmeter Am-Wind-Segelfläche) sind dafür insbesondere zwei Faktoren maßgebend. Eine extrem leichte Bauweise meist aus Carbon. Die Yacht verdrängt angeblich nur 230 Tonnen! Außerdem ein 9 Meter tiefgehender Kiel mit einer hightech Kielbombe, die alleine 83 Tonnen wiegt. Es handelt sich um einen Hubkiel, der auf nur noch 3,5 Meter Wassertiefen hochgefahren werden kann. Diese Yacht ist einfach alles: Prestigeobejekt, erfolgreich auf den Regatten der Superyachten dieser Welt, Lebensraum, kompfortables Reisevehikel mit dem sich mit der unerschöpflichen Kraft der Winde in wenigen Wochen jeder Ozean unseres Planeten überqueren lässt.
Zweitens: Die Hetairos ist spektakuläres Streitobjekt zweier deuscher Milliardäre. Natürlich kauft sich kein Millardär so eine Yacht privat und zahlt dafür auch noch Mehrwertsteuer. Den Medien ist zu entnehmen, dass die Yacht der “Panama Ltd.”, einer nach dem Recht der Kanalinsel Guernsey unterfallenden Gesellschaft gehört. Diese wiederum soll zum Imperium des Milliardärs Otto Happel gehören. Er hat die Yacht bei der berühmten finnischen Baltic-Werft in Auftrag gegeben. Diese wiederum gehört wohl mehrheitlich dem Milliardär Hans Georg Näder. Der Wunsch Happels nach einem bis an die Grenzen der Machbarkeit gehenden Gewichtsvermeidung führte zu einem sehr speziellen Motoren-Konzept bei der Yachtkonstruktion. Auch als Segelyacht benötigt ein Boot dieser Größe einen starken Motor für Flauten, Anlegemanöver und Notsituationen. Motoren sind nunmal unverändert aus Metall und damit von erheblichem Gewichtspotential. Statt Motoren, die über eine Welle eine oder zwei Schiffsschrauben am Heck des Bootes antreiben, wurden vier kleinere Motoren, deren um die eigene Achse drehbare Schrauben über einen jeweils eigenen Schacht im Bedarfsfall aus dem Rumpf gefahren werden können, eingebaut. Happel war mit der Performance dieser vier Motoren nicht zufrieden und verlangte Nachbesserung, um die sich Baltic Yachts zwei Jahre lang bemühte. Danach gab Happel die Hetairos in eine andere Werft und lies das Motorenkonzept angeblich für weitere 23 Millionen Euro umbauen. Um diese 23 Millionen Euro zuzüglich sieben weiterer Millionen für Dienstleister wie Anwälte usw. streiten die beiden Milliardäre seit 2014. Dem Vernehmen nach vor einem Schiedgericht, vor Zivilgerichten und auch mit Strafanzeigen, vgl. z.B. https://www.spiegel.de/spiegel/milliardaere-otto-happel-und-hans-georg-naeder-streiten-um-superyacht-hetairos-a-1157792.html. Soweit ich das recherchieren konnte, ist der Rechtsstreit noch immer nicht beendet.
Drittens stelle ich mir bei der Betrachtung von Booten wie der Hetairos eine ganz grundlegende Gerechtigkeitsfrage, nämlich die der Abgrenzung zu der einem jeden Gerechtigkeitsempfinden entgegenstehenden Dekadenz. Schnell fallen mir viele Gründe ein, ein so großartiges technisch und ästhetisches Wunderwerk in weite Ferne illegitimen Luxus’ und Verfalls zu rücken. Es handelt sich technisch wie sportlich um einen Gegenstand von Höchstleistungen und damit uma alles andere als ethischen Verfall. Sich ohne unmittelbarem wirtschafltichen Nutzen einen privaten Airbus zu leisten, um Macht und Rang zu demonstrieren ist vielleicht plemplem. Aber doch niemals eine Segelyacht. Zumal für einen Milliardär eine nur 60 Millionen Euro teure Yacht proportional zu seinem Vermögen wirklich nicht teuer ist. Jedenfalls weniger teuer, als wenn weniger betuchte Entusiasten ihr gesamtes freies Vermögen in eine Segelyacht im sechsstelligen Eurobereich stecken. Oder?
Für die wenigen Tage und Wochen im Jahr an denen man sein Hobby tatsächlich nutzt würde ich ein Seefahrzeug – gerne regelmäßig ein anderes – jeweils chartern.
Relativ zu Unterhaltskosten sowie Kosten und Aufwand für technische Problembehebung als Eigentümer ist das offensichtlich recht preiswert.
Lieber Michael,
wirtschaftlich betrachtet ist das zweifellos richtig. Ein eigenes Segelboot, ob klein oder groß, verlangt ein Vielfaches an Aufwand gegenüber den Charterkosten. Man muss schon ein bißchen verrückt sein, um sich ein Boot zu kaufen. Es gilt übrigens die Daumenregel: Erst ab 2 Monaten Nutzung pro Jahr fängt ein eigenes Boot an, sich wirtschaftlich haltwegs zu “rentieren”…
Aber geht es darum? Geht es nicht vielmehr um die Freiheit, auf Dein Boot zu können, wann immer Du willst und Du Zeit hast und das Wetter passt?
Keine Frage: Das korreliert mit Deiner zeitlichen (beruflichen) Freiheit, Segelzeit zu verbringen. A propos: Zur Freiheit und Unabhängigkeit des Segelens gehört nach meinem Verständnis auch dazu, sein Segelboot wenigstens in Teilen handwerklich zu beherrschen. Wer kein Spaß hat, selbst Hand an sein Boot zu legen und sich wenigstens an den allfälligen Instandsetzungen selbst zu versuchen, tut sich mit einem eigenen Boot schwer.
Aber ja: Auch chartern ist wunderbar und nichts spricht dagegen, auf diese Weise zu segeln. Außer eben die Beschränkung auf regelmäßig ein oder zwei Törns im Jahr ohne verlängerte Wochenenden in der Ankerbucht oder einfach nur im Hafen, wenn Du vielleicht das eine oder andere an Deinem Boot optimierst…
Liebe Grüße
Ralf