Das Jahr 2020 war für viele Menschen auch finanziell nicht einfach. Trotz staatlicher Corona-Unterstützungsmaßnamen in vielhundertfacher Milliardenhöhe vom verbesserten und verlängerten Kurzarbeitergeld bis zu den Conora-Hilfen für Unternehmen haben viele Menschen mit teils empfindlichen finanziellen Einschnitten zu kämpfen. Künstler, Messe- und Eventveranstalter, stationäre Einzelhändler, Gastronomen, Kinos und viele, viele andere Unternehmen stehen vor dem Aus.
Gleichzeitig war 2020 ein “Rekordjahr für Milliardäre”, wie die NZZ vom 21.12.2020 titelte. Der “Billionaires Report” von PwC und UBS zähle weltweit 2189 Milliardäre. Deren Vermögen sei von April bis Dezember 2020 um 28 Prozent gestiegen und beträge nun 10.200 Milliarden US-Dollar gegenüber 4.000 Milliarden vor 10 Jahren. Die Reichsten der Reichen hätten einerseits die einbrechenden Märkte im Frühling 2020 für Investitionen nutzen können. Zum anderen seien die allerreichsten Unternehmer in besonderem Maße in zukunftsträchtigen Branchen investiert, deren Geschäftsmodell die Pandemie eher Vorschub gegeben als ihr geschadet habe. Die 10 Reichsten dieser Welt hätten in 2020 ihr Vermögen gar um 40% steigern können. Amazon-gründer Jeff Bezos beispielsweise habe sein Vermögen in diesem Jahr um 70 Milliarden auf 185 Milliorden Dollar steigern können (!), Elon-Musk besitze nun 155 Millarden US-Dollar. Gleichzeitig hätten in den USA durch die Pandemie alleine 22 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren,
Was für die Allerreichsten gilt, trifft auf vielen Ebenen zu: Die Kleinsten trifft die Pandemie am Härtesten, die Wohlhabenden können leichter mit ihr umgehen. Und wenn es nur der Umstand ist, dass sie im Durchschnitt mehr Wohnraum und mehr Grünfläche um sich herum zur Verfügung haben.
Sozialneid ist unsere Sache selbstverständlich nicht. Gleichwohl darf die Frage nicht verboten sein, ob unsere bewährte Marktwitschaft für alle Zeiten der letzten Weisheit Schluss ist. Neulich beim Abendessen diskutierten wir in der Familie die Frage, ob es denn gerecht sei, dass Softwareunernehmen wie Microsoft, Nintendo oder auch Facebook ihre Leistung nur einmal erbringen und dann ohne jeden Vervielfältigungsaufwand unbegrenzt oft “verkaufen” könnten, wohingegen ein Gastronom oder eine kleines Theater mit 200 oder 300 Sitzplätzen oder gar ein Handwerker einen sehr viel kleineren Verfielfachungsfaktor der einmal erbrachten Leistung hat. Keine Frage: Auf einem vergleichbaren Markt sind Wettbewerb und die Regeln der Marktes durchaus gerecht: Wer im Markt der Computer-Spiele das spannenste Spiel vertreibt, erntet den entsprechenden Erfolg. Gleiches gilt für Musiker, Kinobetreiber usw. Wie gerecht ist unser Wirtschaftssystem aber, wenn man den Krankenpfleger, der seine Arbeitsstunde selbst bei aller größter beruflicher Fertigkeit nur einmal ohne Vervielfachungsfaktor verkaufen kann, mit einem begnadeten Musiker oder YouTuber vergleicht, der mit seiner Tätigkeit Hundertausende erreicht?
Die Sache mit dem von Markt zu Markt nur zufällig verschiedenen Vervielfachungsfaktor für eine nur einmal erbrachte Leistung und damit dem unternehmerischen Potential lässt sich nicht mit dem jeweils unterschiedlichen unternehmerischen Risiko als gerecht hindiskutieren. Auch das ergab unsere Diksussion mit unseren Kindern beim Abendessen. Außer eben damit, das wir bis heute kein anderes, sich selbst regulierendes Wirtschaftssystem kennen, das wenigstens einigermaßen funktioniert. Was aber nicht heißt, dass es diese nicht geben kann. Z.B. durch effektivere Anreiz- oder Steuersysteme. Was ein im Durchschnitt träger und seiner jeweiligen Lobby verpflichtetrer nationaler Gesetzgeber in einem internationalen Wettbewerbssystem nicht hinbekommt, ließe sich vielleicht durchaus realisieren. Wenn es einen politischen Willen gäbe. (Keiner wird behaupten, dass man Steuern nicht gerechter gestalten könnte.) Vielleicht mit Algorythmen, die eine Vielzahl von Marktfaktoren berücksichtigen und ausbalancieren… Zweifel sind angebracht, aber wer weiß?